Als ich vor knapp einem Jahr meine Stelle als Sales Assistant angetreten habe, hatte ich – eigentlich – keine Erfahrung im Verkauf. Gut, ich habe einige Jahre in der Gastronomie gejobbt und mir so mein Studium finanziert. Doch an Menschen, die eine Kneipe besuchen, Getränke zu verkaufen, ist keine wirkliche Herausforderung. Mein Chef sagte damals trotzdem, ich wäre gut in der Verkaufsvorbereitung aufgehoben und meine Defizite in Routine etc. könnte man schon "wegschulen" und tatsächlich fühle ich mich heute ziemlich sicher in dem, was ich tue. Was mir dabei am meisten geholfen hat? Eine gesunde Mischung aus Theorie und Learning by Doing!
Hans Dampf in allen Gassen
Ein Verkäufer muss nicht unbedingt absolutes Expertenwissen in allen Geschäftsbereichen haben. Wichtig ist allerdings, dass er sich grundlegend mit allen Produkten und Services auskennt.
Was ich damit meine? Man muss sich vor allem mit dem Nutzen vertraut machen, den das Portfolio des Unternehmens seinen Kunden bringen kann. Sie kennen vielleicht das berühmte Zitat des Ökonoms Peter F. Drucker: "Kein Kunde kauft jemals ein Erzeugnis. Er kauft immer das, was das Erzeugnis für ihn leistet."
Das ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Erkenntnisse für einen Verkäufer. Es geht darum, Ihre Produkte und Leistungen so zu kommunizieren, dass ein potenzieller Kunde sofort erkennt, welchen Profit er daraus ziehen kann.
Für mich war die Strategie Inbound Marketing zwar nicht gänzlich unbekannt, als ich eingestellt wurde, doch habe ich zugegebenermaßen das Ineinanderspielen der vielen Strukturen nicht komplett überblickt. Das bedeutete für mich erst mal – HubSpot Academy.
Für alle, denen das kein Begriff ist: Trialta ist Partner Agentur von HubSpot, einer All-in-One Marketing und Sales Software. HubSpot hat ein sehr umfangreiches, kostenloses Angebot mit verschiedenen E-Learning Kursen, beispielsweise Inbound Marketing, (Growth Driven) Design, Content Marketing usw. Es gibt häufig auch zusätzliche Angebote in Form von Webinaren, Coachings und vielem mehr, die Certifications stehen aber jederzeit online zur Verfügung und werden stetig ausgebaut.
Ich habe zunächst meine Inbound und Inbound Sales Zertifizierungen absolviert, um ein generelles Verständnis für meinen Tätigkeitsbereich zu erhalten. Zusätzlich habe ich natürlich auch sämtliche unserer Webinare angesehen und alle Whitepaper gelesen. Das ist nicht nur wichtig, um weitere Einblicke zu erhalten, sondern natürlich auch um zu verstehen, welche Informationen unseren Leads vorliegen, wenn sie bei uns etwas herunterladen.
Das empfehle ich auch allen Neulingen Ihrer Verkaufsabteilungen. Machen Sie sie unbedingt mit Präsentationen des Unternehmens vertraut, Lehrvideos die Sie beispielsweise vorliegen haben und schicken Sie sie auch mal in die verschiedenen Abteilungen, damit sie ein grundlegendes Verständnis aufbauen können.
Sobald ein umfassendes Bild der Produkte und der Unternehmenskommunikation vorliegen, kann man diese Informationen dann umwandeln, um mit Kundennutzen im Hinterkopf zu argumentieren.
Wie gesagt, es muss nicht in allen Bereichen absolut tiefschürfendes Expertenwissen vorliegen. In 99 % der Gespräche reicht mein Wissen zu Marketing und Sales nach Inbound Methodik mehr als aus, um unseren Leads hilfreiche Informationen und Tipps zu liefern. Und wenn ich doch mal überfragt bin – nun dafür habe ich schließlich auch Kollegen! Sie sind in ihren jeweiligen Fachbereichen die wirklichen Experten und unterstützen mich gegebenenfalls in einem Folgetermin mit ihrem Detailwissen.
Die Erfahrung anderer nutzen
Dieser Tipp hilft nicht nur im Verkauf sondern auch in sämtlichen Tätigkeitsbereichen! Lernen Sie von anderen!
Man kann die Routine und Kompetenz, die andere sich mühsam in Jahr(zehnt)en aufgebaut haben, nicht einfach in ein paar Monaten aufholen. Wenn man selbst gerade sein erstes Beratungsgespräch durchführt, den ersten Workshop mit besuchen darf oder die ersten Gehversuche im Blogpost schreiben macht – wie soll man dann so abgebrüht und souverän sein, wie ein Kollege mit 25 Jahren mehr Erfahrung? Eben! Aber was man definitiv tun kann, ist die Augen und Ohren offen halten.
Mentoren
Ich bin ein großer Fan von Mentorenprogrammen, mir selbst hat das unglaublich viel gebracht. Ich hatte wöchentliche Meetings mit meinem Chef, der in unserer Agentur den Verkauf verantwortet. Dabei waren allerdings nicht nur meine Zahlen Gesprächsthema, sondern auch Herangehensweisen und Hürden, auf die ich in den Gesprächen gestoßen war. Viele Male hat mein Chef Sätze begonnen mit "Hast du denn mal versucht, das Thema lieber so anzugehen?", "Der Kundennutzen muss im Vordergrund stehen, formulier das doch lieber …" und so weiter.
Fast noch hilfreicher waren die Situationen, in welchen ich Mäuschen spielen durfte. Gerade in den ersten Monaten hat mein Chef mich oft bei Beratungsgesprächen hinzugeholt. So konnte ich miterleben, wie er mit Einwänden umging, stockende Gespräche belebte, sehr subtil eine Menge von Informationen sammelte und das Gespräch logisch und behutsam auf einen nächsten Termin lenkte. Das war zum einen sehr beeindruckend und zum zweiten erhielt ich dadurch tolle Praxistipps zu Gesprächsführung. Schließlich kann man nicht jede Eventualität in noch so vielen Meetings und Schulungen durchspielen.
Auch der Besuch unserer Betreuerin von HubSpot dieses Jahr war für mich eine große Hilfe und Inspiration. Sie nahm sich einen ganzen Nachmittag Zeit um mit mir meinen Sales Funnel durchzugehen und aufzuzeigen, anhand welcher Kriterien ich die unterschiedlichen Leads priorisieren sollte, gab mir viele Tipps und Tricks aus der Praxis um zum Beispiel meinen Gesprächseinstieg zu optimieren und half mir zudem auch in der Kommunikation mit anderen Abteilungen und was ich von denen einfordern musste. Unser CAM (Channel Account Manager) steht mir bis heute immer gern zur Seite, wenn ich bei Leads nicht vorankomme oder mir der richtigen Strategie nicht sicher bin.
Zugegeben, mittlerweile kommt das sehr viel seltener vor als noch vor einem Jahr – doch manchmal ist der objektive Blick von außen und der Austausch mit erfahreneren Vertretern meiner Zunft ungemein förderlich.
Austausch mit "Gleichgesinnten"
Dass Sie als Verkäufer die sozialen Netze nicht unterschätzen sollten, ist Ihnen sicher klar. Doch kann man durch Netzwerken neben Kunden auch Inspiration von anderen gewinnen. Denn nicht nur von den Verkäufern aus Ihrer eigenen Firma können Sie eine Menge lernen.
Vernetzen Sie sich doch auch mit Unbekannten, die einen ähnlichen Job wie Sie machen und zum Beispiel in einer Ihrer Gruppen aktiv sind. So feilen Sie nicht nur an Ihrer eigenen Herangehensweise, die Sie wiederum bei interessanten Leads einsetzen. Ihre Gegenspieler können ein wahrer Fundus an Hilfestellungen sein. Vielleicht sind ihre Formulierungen besonders aufgeweckt und originell, oder sie verstehen es besonders gut, sich über kleine Gemeinsamkeiten auf einer persönliche Ebene zu bewegen usw.
Profi-Tipp: Vernetzen Sie sich auch mit Coaches. Nicht umsonst verdienen die ihre Brötchen mit Beratungen und haben meist die Prozesse zig mal für sich selbst getestet, optimiert und ausgebaut. Die Vernetzung mit dem ein oder anderen Social Selling Coach, der bei Ihnen Umsatz wittert, kann wirklich spannend und nützlich sein.
Wir hatten über unsere HubSpot-Betreuer darüber hinaus einen weiteren Weg des Austauschs – das sogenannte Small Group Coaching. Jeder CAM bei HubSpot ist für einen Pool an Partneragenturen verantwortlich. Ein effektiver Weg, diese Agenturen zu schulen, war und ist, für Austausch zwischen Ihnen zu sorgen. Da unsere Betreuerin für Agenturen aus der gesamten EMEA-Raum zuständig war, saß ich also alle zwei Wochen in einem Online Meeting und erörterte die verschiedensten Strategien mit Südafrikanern, Spaniern, Skandinaviern, Deutschen, Holländern usw.
In den meisten Fällen herrscht keine direkte (regionale) Konkurrenz und somit waren diese Gespräche herrlich offen. Wie schafft man den Gesprächseinstieg, wie strukturiert man seine E-Mails richtig, um maximale Responseraten zu generieren, wie oft und zu welchen Uhrzeiten kontaktiert man seine Leads, was sind besonders effektive Mittel in der Gesprächsführung und so vieles mehr.
Ich selbst habe im Austausch mit anderen ungemein viel gelernt. So kann ich in folgenden Gesprächen andere Strategien ausprobieren und habe im Laufe der Zeit bemerkt, dass ich unbemerkt kleine Schritte ausgelassen und dabei den ein oder anderen Lead unterwegs verloren hatte.
Routine, Routine, Routine
Doch all diese Schulungen können eines niemals ersetzen: Eigene Fähigkeiten aufbauen und sie beständig optimieren. Natürlich konnte ich mir vieles aneignen, indem ich den Erfahrungen von anderen lauschte. Dann aber auch spontan und gekonnt reagieren können, wenn man selbst die Zügel in der Hand halten soll – nun ja, das ist nochmal etwas ganz anderes!
Die alte Weisheit "Übung macht den Meister" trifft hier den Nagel auf den Kopf. Ich habe in meinen ersten Wochen unzählige Feedback-Gespräche geführt. Also einfach wirklich nur nachgefragt, wie diese Leads denn unsere Webinare und Whitepaper aufgenommen haben und ob es weitere Informationen gibt, die ich bereitstellen darf. Das war mein Einstieg in die Verkaufsvorbereitung und ein sehr wichtiger Schritt. Denn Kompetenzen in Gesprächsführung etc. aufbauen geht nicht von heute auf morgen.
Für mich waren diese Telefonate, in denen ich ganz zwanglos austesten durfte, wie man einen Zugang zu Menschen am Telefon findet, unglaublich wichtig. Auf diese Art und Weise wurde ich ganz sachte an tatsächliche Kundengespräche herangeführt – und das ohne den Druck wöchentlicher Quoten. Und doch habe ich mir dabei einiges angeeignet, das mir heute meinen Job sehr viel leichter macht.
Die Stimme kontrollieren
Dass man eher mit dem Nutzen eines Produktes statt dessen Funktionen argumentiert, das hat mein Chef mir relativ schnell beigebracht. Doch ist nicht nur wichtig, was man sagt sondern auch wie. Anfangs – das muss ich leider zugeben – konnte man mir meine Nervosität recht stark anmerken. Und dazu hatte ich schon immer eine Tendenz, sehr schnell zu sprechen.
An diesen Stellschrauben habe ich jedoch schnell zu drehen gelernt. Wenn ich mittlerweile Telefonate führe, stellt sich meine Sprechgeschwindigkeit wie von selbst auf die meines Gegenübers ein, meine Stimme zittert nicht mehr sondern strahlt (wie ich mir von Kollegen sagen habe lassen) eher Kompetenz und Gelassenheit aus. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass ich die allermeisten Fragen schon zig Male – wenn auch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten – beantwortet habe. Auch gängige Floskeln und Einwände bringen mich nicht mehr automatisch dazu, unruhig zu werden oder das Gespräch zu beenden.
Hier kommt bei mir ein Faktor ins Spiel, dem sich mein Chef nicht ausgesetzt sieht: Ich bin eine junge Frau. Und das hört man mir am Telefon leider auch an. Ich will niemandem auf den Schlips treten, doch während man meinem Chef seine Jahrzehnte an Berufserfahrung deutlich anhört, ist bei mir eher das Gegenteil der Fall. Viele – vor allem die alten Hasen im Geschäft – verbinden mit der Jugendlichkeit meiner Stimme auch eine gewisse Inkompetenz oder zumindest fehlende Glaubwürdigkeit. Meine Stimme gut zu kontrollieren, sie etwas tiefer und ruhiger zu machen, hilft zwar, keine Frage. Aber ich musste mir noch andere Taktiken aufbauen, um Gespräche richtig führen zu können.
The Give And Get
Durch kleine Tipps und Tricks, die man dem Gegenüber verrrät, schafft man sich Brücken, über welche doch ein Gespräch entsteht. Dabei ist es natürlich wichtig, dass man etwas Fingerspitzengefühl unter Beweis stellt, weder zu wichtige Strukturen kritisiert noch in Belanglosigkeiten abdriftet. Richtig gemacht jedoch, ist diese Art der Gesprächsführung Gold wert.
Klassiker sind zum Beispiel Social Following Buttons, die ins Nichts führen oder Seiten, die mit Blindtext gefüllt sind. Wenn Sie auf solche Fauxpas hinweisen, ersparen Sie Ihrem Gegenüber einige Peinlichkeit und helfen ihm, seine Seite zu optimieren. Ganz nebenbei kreieren Sie ein seichtes Gefälle zu Ihren Gunsten. Denn verallgemeinert gesagt, sind die meisten Menschen bestrebt, Gefallen zu erwidern und somit für Ausgeglichenheit zu sorgen. Ihr Gesprächspartner wird also aller Wahrscheinlichkeit nach Ihre nächste Frage beantworten.
Für mich war und ist dabei allerdings noch ein Punkt von Wichtigkeit – ich kann über diese kleinen Tricks meine Aufmerksamkeit und Kenntnis unter Beweis stellen. Wie gesagt, anfangs gab es immer wieder Leads, die von mir absolut nichts annehmen wollten, sondern mich schlicht als "grün hinter den Ohren" einstuften. Sobald ich allerdings solche hilfreichen Tipps anbringe, ändern sich Ton und Wahrnehmung merklich. Das gilt natürlich auch für Diskussionen zu Content, Calls-To-Action, Social Media, Keywords usw. Der Give And Get Schachzug ist dabei mehr ein letzter Ausweg und dabei ein sehr effektiver, wenn ich es bei einem Lead gar nicht erst zu einem richtigen Austausch schaffe. So kann ich aufzeigen, dass es sich nicht um ein generisches Gespräch handelt, sondern ich mich durchaus mit dem Lead und seiner Organisation beschäftigt habe und zu deren Wohl etwas beitragen kann.
Betriebsblindheit
Einen Punkt möchte ich noch ansprechen – die Betriebsblindheit. Wie bereits erwähnt, war mir das Inbound Konzept anfangs noch recht neu und aufgrund seiner Komplexität auch nicht ganz klar. Doch hat sich herausgestellt, dass das nicht in allen Belangen ein Manko war. Denn ich hatte etwas zu bieten, was die routinierten Mitarbeiter längst abgelegt hatten – einen unvoreingenommenen Blick. Die scheinbar "dummen" Fragen, die ich manchmal einfach aus Mangel an Wissen stellte, waren sogar hilfreich. Denn sie führten meinen Kollegen vor Augen, dass sie manchmal etwas unverständlich ausdrückten, bereits zu viel Vorwissen als gegeben ansahen. Es ist vollkommen natürlich, dass man sich mit der Zeit einen gewissen Wortschatz aneignet, der für die eigene Branche spezifisch ist. Und in vielen Belangen ist das auch hilfreich, weil man schneller und effektiver kommunizieren kann und sich außerdem mit denen identifiziert, die die gleichen Ausdrücke verwenden.
Und gerade in diesem Punkt besteht auch wieder die Krux an der Sache. Wenn man in der Verkaufsvorbereitung tätig ist, also eine Beziehung zu Fremden quasi aus dem Nichts heraufbeschwören soll, muss man sich auf ein gleiches Level einigen. Nur so erreicht man den Gesprächspartner, führt ein gewisses Maß an Identifikation und "sich verstanden fühlen" herbei.
Das bedeutet für mich konkret, dass ich mit vielen Begrifflichkeiten etwas vorsichtig umgehen muss, zunächst eher den Wissensstand meines Gegenübers abtaste. Wenn dieser wie selbstverständlich von CTAs, Conversion Rate und Long-Tail-Keywords spricht, kann ich das natürlich auch. Jemand hingegen, der noch nie etwas von dem Konzept der Buyer Persona gehört hat… Nun den werde ich mit solchen Ausdrücken schnell verlieren.
Generell ist aktives Zuhören wohl eine der wichtigsten Kompetenzen, die ich mir in den letzten 11 Monaten angeeignet habe. Und vieles davon geschieht dabei mittlerweile wie von selbst. Ich muss mich nicht mehr dazu zwingen, die gleiche Sprechgeschwindigkeit, das gleiche Wording und den richtigen Ton zu treffen. So zu kommunizieren wie mein Gegenüber ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Doch das haben nur viele Ratschläge, Disziplin und eine Menge Übung möglich gemacht!